Ich frage mich, wohin die Zukunft uns treibt

Die Zeit

International 16.11.2008

Obama steht im Vorzimmer der Macht, die Börsen sind nicht davon sonderlich beeindruckt und hierzulande erleben wir eine Kanzlerin, die Angebote an die Wirtschaft macht, welche diese nicht gerade mit Begeisterung annimmt. An und für sich wäre die Kanzlerin nicht schlecht.

In Hessen wurde kürzlich der Versuch vereitelt, einen Ausweg aus der Marktwirtschaft der Zeit nach dem Mauerfall zu sondieren.

Es kommt mir so vor, als ob die breite Mehrheit der Akteure auf der Polit-Bühne sich zwar von den Unzulänglichkeiten des heutigen Systems distanzieren möchte, aber es scheuen würde, sich in unbekannte Gefilde zu begeben. Der Raubtier-Kapitalismus hat versagt, das braucht man keinem ehrlichen Bürger mehr zu verschweigen, aber, kleiner Mann, wat nu?

Die Angst vor einem aufkommenden Realsozialismus geht um. Wer ein mühsam abgestottertes Haus besitzt, möchte es um keinen Preis verlieren, die Errungenschaften des Kapitalismus sind heilige Kühe, die es zu verteidigen gilt. Ist es nicht kurzsichtig, wenn man gewissen Politikern unterstellt, ein Versagermodell wie die „DDR“ wieder ins Leben rufen zu wollen, nur weil sie in jenem System selbst verwickelt waren? Wenn jemand noch einen Funk Intelligenz besitzt, der wird wohl nicht Pleite gegangene Staatsordnungen wieder einführen wollen, selbst wenn er damals an der Pleite beteiligt war. Der Mensch dürfte wohl lernfähig sein, oder?

Ich meine, wenn jemand damals die SED unterstützt hat, und wir wissen wohl, dass es damals für klare Köpfe unumgänglich war, bei der Partei zu sein, der wird sich angesichts der DDR-Katastrophe am ehesten davor hüten, ein ihm bekanntes und sich als untauglich erwiesenes System doch wider alle Einsicht nochmals aufleben zu lassen. Wer es erlebt hat, dass „Republikflüchtige“ an der Mauer erschossen wurden, dass seine Landsleute die Republik praktisch nicht verlassen durften, dass elementare Versorgungsgüter aus dem gehassten kapitalistischem Ausland importiert werden mussten, der wird wohl nicht daran interessiert sein, ein versifftes System nochmals zu etablieren… In meinen Augen haben die ehemaligen SED-Mitglieder, selbst wenn sie bei den Linken angeheuert haben, nicht die geringste Absicht, den kollabierten Realsozialismus wieder aufleben zu lassen.

Damit wären wir bei meinem Lieblingsthema in diesen Tagen, bei Frau Ypsilanti, angelangt. Die Dame hat nur beweisen wollen, dass es auch mit den Dunkelroten geht, hat es nicht ausdrücklich gesagt, aber ich meine schon, dass sie auch der Meinung ist, dass ein ehemaliger SEDler nicht die „DDR“ wieder haben will. Ich will nicht so genau wissen, wer und wie die drei Abweichler in der letzten Minute zu ihrer Heldentat bewogen hat.

Eines steht fest: Das System predigt Erneuerung und stemmt sich gleichzeitig gegen vermeintliche Erneuerer. Es dürfte wohl klar sein, dass man das Ende der grassierenden Krise nur mittels einer Rückbesinnung auf die Vorteile der Methoden des Herrn Keynes und des Rückzugs aus den privatisierten Gewinnen und sozialisierten Verlusten erwägen kann. Das will die Linke, das will die linke, linientreue SPD, und genau das will der SPD-Abweichlerflügel der Agenda-Süchtigen verhindern.

Wo sind wir denn? In einem autarchen, von den weltweiten Strömungen ausgeschlossenen Deutschen Reich, oder in der Mitte einer, leider, sehr globalen Gesellschaft, die Entscheidungen, und nicht Mätzchen, verlangt?

Die Antwort dürfte wohl klar ausfallen. Wir sind mitten drin, von unserer Vergangenheit und unserem Anspruch als „Land der Denker…“ verpflichtet, uns über globale Lösungsansätze Gedanken zu machen. Ich mache mir solche Gedanken unter dem Leitspruch: Weg vom Heuschrecken-Kapitalismus, hin zu einer Gesellschaft, die nicht alles gleich monetarisiert und privatisiert, die nicht auf jeden Furz aus jenseits des Atlantik hört, die in der Lage ist, pragmatisch an Zwischenlösungen zu denken, da die gedanklichen Prozesse für eine grundlegende Erneuerung der Wirtschaftsstruktur noch nicht abgeschlossen sind. Na, wäre ich in der Lage, das zu bestimmen, was Deutschland (und Europa) vor größeren Schäden bewährt und auf eine Umwälzung vorbereitet, was würde ich tun?

1. Geld für Militäreinsätze im Irak und Afghanistan ist viel zu teuer und kann nichts Greifbares bringen, da Kriege noch nie eine heilende Wirkung gehabt haben: Innerhalb von sechs Monaten die Beteiligung an amerikanischen Eroberungskriegen auf Null fahren. Man überlege sich noch, ob es Sinn macht, unsere Verteidigung in den Händen von Leuten zu lassen, die sieben Monate brauchen, um eine Armee vor die Küsten eines winzigen Staates wie des Iraks aufzustellen, einen Krieg aufgrund eines facettenreichen Wortbruchs führen und faktisch verlieren… Wenn es ernst wird, dann sind wir den Amateuren ausgeliefert, und dass noch für viel Geld!

2. Man schwärmt von den verbesserten Arbeitsmarkt-Zahlen und vergisst dabei, dass sie geschönt sind, da breite Massen von Leiharbeitern praktisch keinen Kündigungsschutz genießen. Anderseits klagt nahezu jeder über Personalmangel an Schaltern, bei Behörden und an sonstigen Stellen. Der Staat wird nicht umhin kommen, statt Arbeitslosengelder (und Harz IV), selbst Arbeitslose, sei es auch mit einem verhältnismäßig geringeren Lohn, anzustellen. Dann fange man gefälligst gleich damit an. So könnte man sich Gelder für Nichtstun ersparen, den Arbeitslosen eine neue psychische Motivation geben, den Verbrauch steigern, da man die Arbeitslosigkeit nicht so wie jetzt fürchten würde.

3. Drastische Steuererhöhungen (bis 80%) auf Gehälter über, sagen wir, 200.000 Euro/Jahr. Es ist heutzutage klar, dass solche Leute oft nur aufgrund von Beziehungen zu solchen Super-Jobs gelangen konnten: Die Krise hat gezeigt, dass es mehrheitlich nur um gierige Blender ging. Warum sollen normale Mitarbeiter entlassen oder, schlimmer, gemobbt werden, wenn die größten Flaschen noch Traumgehälter verdienen?

4. Da ich gerade bei den Flaschen bin, warum müssen wir für die infantile Mentalität der Amis, die nicht rechnen können, sich maßlos verschulden, ständig in schlecht gebaute Häuser umziehen, zur Kasse gebeten werden? Ich schlage tief greifende Maßnahmen vor, die eine Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit der Amerikanischen bestrafen: Hohe Zölle, Tobin-Steuer auf Geschäfte mit den USA, Strafsteuer für Fusionen zwischen EU- und US-Firmen… Volkswirte könnten diese Angaben verbessern und vervollständigen.

Ich will nicht das neue Kapital schreiben, würde es mir schon zumuten, wäre aber eine Lebensaufgabe, der ein 52jähriger Schriftsteller nicht gewachsen ist… nur… Mut zum unkonventionellen Denken!