Die Zeit
Wirtschaft 28.04.2008
Es kam schneller als ich dachte: Die SPD-Antwort auf die Diskussion um die Managergehälter. Es musste schnell gehen und daher wurde nicht die gesamte Partei eingebunden, was zu einer Wiederholung der innerparteilichen Querellen wie im Fall Ypsilanti gegen Metzger führen wird.
Zankende Fraktionen werden mit Sicherheit die Lage Becks noch trostloser gestalten, aber das Schlimmste für mich ist, dass die Nahles-Klippe von den AGs mühelos umsegelt werden kann. Erstens beschränkt sich die Nicht-Abzugsfähigkeit von Millionärsgehältern nur auf die Spitzenmanager in der Wirtschaft, während es gerecht wäre, solche Regelungen für alle Einkommensmillionäre, inklusive Politiker, Musiker und Fußballer einzuführen. Gut, dann würde die geplante Maßnahme nicht überall greifen, da z.b. Musiker und sonstige Künstler in der Regel freiberuflich tätig sind und oft der Versuchung anheimfallen, ihren Wohnsitz ins Ausland zu verlegen. Apropos, das könnte auch den AGs einfallen und die Top-Manager in Basel statt in Grenzach wohnen und tagen zu lassen, natürlich als „Angestellte“ einer Holding nach eidgenössischem Recht, wie es bei manchen deutschen Firma schon jetzt der Fall ist.
Die Mitglieder der SPD, die diese Gesetzesvorlage erfunden haben, rechnen vielleicht gar nicht damit, das sie so, unverändert, dem Bundestag vorgelegt wird: Man wollte schneller als die Linken sein und obendrauf „nur“ ein neues Steuergesetz und keine verfassungsrechtlich zweifelhafte „Systemveränderung“ vorschlagen. Was hätten sie sonst tun können, wenn die Linken jeden Tag mit einem schnellen Vorschlag kommen können, von dem sie wissen, dass man nie im Bundestag darüber diskutieren wird und deshalb verfassungsrechtlich jenseits von Gutem und Bösem sein kann? Es war außerordentlich wichtig, das Neidgefühl unmissverständlich anzusprechen und die strafende Maßnahme auf eine Gruppe zu beziehen, die in den heutigen Tagen kaum über Sympathisanten verfügen dürfte.
Die Sache ist zweifelsohne verbesserungsbedürftig, aber ich erkenne in diesem Schritt die verloren geglaubte Fähigkeit der vor-agendischen SPD wieder, sich nicht blindlings den Ikonen der reinen Marktwirtschaft anzupassen und die steuernde Funktion von Steuern wieder zu entdecken. Hand aufs Herz, es geht wirklich nicht an, dass es Menschen gibt, die das Hundertfache des Durchschnittsgehaltes in einem Konzern verdienen. Es gibt einfach keine Menschen, die hundertfach effektiver arbeiten als der Durchschnittsmensch! Und wer soll da bitte für die Auswahl dieser Hochbegabten sorgen? Ganz ohne Vetternwirtschaft, Kundenempfehlungen, Tauschgeschäfte, Kumpaneien aller Art? Es ist m.e. besonders empörend, wie heutzutage einige Top-Managers zu Maßnahmen (Merger, Outsourcing…) greifen, die unweigerlich zu massivem Stellenabbau führen. Für die Nokia-Mitarbeiter in Bochum ist diese Strafmaßnahme (so wird man sie dort empfinden) ein Riesengaudi, vor allem wenn die Bosse und nicht die Fußballer betroffen sind.
Es war ernüchternd, heute viele der Kommentare zu diesem SPD-Vorstoß in der Presse zu lesen. Deutschland wurde ständig als Wiederauflage der DDR gesehen, die SPD als Vorboten der Kommunisten. Ich frage mich, ob gewisse Menschen, die offensichtlich zumindest ein Abitur in der Tasche haben, den Unterschied zwischen Regelung und Enteignung, zwischen Einheitslohn und weniger extremen Lohnunterschieden verstehen. Es sind vermutlich solche Leute, die einen NPD-Aufmarsch sehen und schon den leibhaftigen Hitler vor dem eigenen geistigen Auge vermuten.
Ich finde es gut, dass ein Teil der SPD diesen Vorschlag gebracht hat: Obwohl hier Vieles verbesserungsbedürftig ist, wird dem Volk die Idee eines Einflusses des Staates auf die Wirtschaft präsentiert und ihm gezeigt, dass die Schampuslaune der Apologeten der superfreien Marktwirtschaft schon bei den Machenschaften der Treuhand bewiesen hat, dass sie nicht von Bestand sein kann. Ackermann selbst hatte vor einigen Wochen staatliche Eingriffe im Bankwesen befürwortet…