Rechts und links (SPD – Mein Herz schlägt links, 15.02.2015)

„Rechts“ und „links“. Begriffe wandeln sich – Teil 1. von 2

Montag, 16. Februar 2015 um 05:19 Uhr Julius Franzot

Zumindest seit meinem Artikel in „Die Zeit“ von 2008

(http://www.juliusfranzot.com/zeitungsartikel/ist-heute-links-cose-oggi-sinistra/) hadere ich mit der Aktualität der Begriffe „rechts“ und „links“.

Es ist völlig normal, dass die Bürger heute – mehr denn je wegen der Informationsflut über Internet und die Medien – unbewusst nach Antworten zu den Problemen suchen, von denen sie selbst am meisten betroffen sind.

Das Volk sucht, findet nicht, es wird ihm erzählt, dass das Suchen in bestimmten Bereichen verboten oder zumindest offiziell verpönt ist („Querfront“, „Verschwörungstheorien“, „Lügenpresse“, „NATO“, „Privatisierungen“, „unternehmerische Freiheit“…), sucht nicht mehr? Falsch.

Die Suche geht weiter, nimmt aber eine Wende, die, wenn sie unkontrolliert verläuft, zu Handlungen und Zuständen führen kann, die mit den Grundprinzipien der Demokratie nicht mehr vereinbar sind.

Es hilft wenig, sich gedanklich einen Zaun um Deutschland vorzustellen und die Geschehnisse jenseits eines solchen Vorgangs mit der Andersartigkeit eines jeden Landes als für uns unwichtig abzutun.

Ob es uns gefällt oder nicht, sind wir – zumindest in den „alten“ EU-Ländern – so weit globalisiert, dass die Formen der Verbreitung einer neuen Denkweise gelegentlich von Land zu Land unterschiedlich ausfallen können, die Inhalte, die Themen, die die jeweilige Bevölkerung bewegen, jedoch gleich sind.

  1. Denkverbote und Parolen

Ich habe gerade von den Gefahren eines unkontrollierten Verlaufs einer nicht in den Kanälen der etablierten Parteien verlaufenden Politisierung gesprochen.

Was meine ich damit?

Dass neue Parteien wie Pilze aus dem Boden schließen sollten und sich jeder, wie skurril auch immer gearteten Meinung anzunehmen?

Nicht unbedingt.

Ich möchte meine Gedanken anhand zweier Beispiele erläutern.

Beispiel 1.

Deutschland galt jahrzehntelang in der Leseart der Politiker und der Medien als „kein Einwanderungsland“

Als ich 1979 im guten, alten Stuttgarter Arbeitsamt als Vermittler jobbte, wurde mir das „Kein Einwanderungsland“ mit sanfter Gewalt hinter die Ohren geschrieben.

Die ersten Zweifel kamen, als ich vor Kolonnen von Asylbewerbern mit Pass in der Hand und Parka-Jacken mit schwarz-rot-goldenem Etikett auf der Schulter stand.

Damals stand eine Arbeitsaufnahme gar nicht zur Debatte: Die „Asylanten“ befanden sich auf dem Arbeitsamt lediglich, um eine Bescheinigung zur Erlangung der Duldung zu beantragen.

Viele von ihnen sah man kurze Zeit danach auf abgelegenen Baustellen und in anrüchigen Gegenden.

Es war übrigens die Zeit von Christine F. und deren Milieu.

Von diesem Extremfall abgesehen, bewirkte das Dogma „Kein Einwanderungsland“ das Ausbleiben einer geordneten Integrationspolitik für die Menschen, die gekommen waren, als Hände gesucht wurden.

Die Fehler, die aufgrund einer störrischen Haltung begangen wurden, beeinflussen noch heute, nach erfolgter, später Korrektur,  die Betrachtungsweise einiger – meist zu kurz gekommenen – Mitbürger, die hinter jedem Getto ein Rekrutierungsbüro von ISIS oder zumindest eine konspirative islamische Zelle wittern.

Sollte die Angst vor einer Islamisierung überhaupt der Hauptgrund für die anfänglichen Erfolge von PEGIDA sein.

Beispiel 2.

Seit der Revolution von 1789 versteht sich Frankreich dem Laizismus des Staates und den aufklärerischen Idealen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verpflichtet.

Während der Kolonialzeit (1870) hatte Frankreich Algerien einen besonderen Status eingeräumt: Das Land war keine Kolonie sondern Bestandteil des französischen Staates.

Als Folge hatten die moslemischen Algerier das Recht, die französische Staatsbürgerschaft zu beantragen und zu geistigen Erben der Aufklärung zu werden, was in Nordafrika unterschiedlich verstanden und verinnerlicht wurde.

Nach dem Algerienkrieg  (1954-1962) wollten Hunderttausende von diesem Recht Gebrauch machen.

Dazu sagte allen Ernstes Charles De Gaulle: „ Wenn Araber und Berber aus Algerien als Franzosen angesehen werden, dann wird mein Heimatdorf bald nicht mehr ´Colombey-les-Deux-Eglises´ heißen, sondern ´Colombey-les-Deux-Mosquées“.

Die Worte des Staatsvaters blieben nicht unerhört, Algerier und Marokkaner wurden kaum integriert, es bildeten sich Gettos, 2007 brannte die Banlieue, 2015 fielen die Schüsse bei Charlie und das Front National gewann haushoch die Wahlen im Doubs (stellvertretend für ganz Frankreich).

Es ist sicherlich kein Zufall, dass im „aufgeklärten und laizistischen“ Frankreich,Houellebecq in seiner „Unterwerfung“ ausgerechnet an eine Befriedung des Bürgerkrieges durch die Einsetzung einer gemäßigten moslemischen Regierung denkt.

Die Moderne zerstört sich von allein und die alte Ordnung wird hergestellt.

Nur nicht im Hinblick auf die „westlichen“ Werte.

Das Rennen machen die anderen Konservativen, die, die sich schon immer auf ihren Konservatismus berufen hatten.

Mein Fazit: Wenn eine Denkrichtung jahrzehntelang „von oben herab“ vorgegeben und von der den „Zeitgeist“ bestimmenden Medien bereitwillig aufgenommen wird, dann hat man damit den Protest nicht ausgeschaltet, sondern Wasser auf die Mühlen von Anhängern totalitärer Ideologien gebracht.

Vor diesem Hintergrund hat Sigmar Gabriel mein volles Verständnis, wenn er nicht zögert, auch mit (nicht faschistisch geprägten) PEGIDA-Anhängern zu reden.

  1. Rechts und Links: Die Herausforderung aus Griechenland

Dem seit Jahrzehnten von Oligarchen und Korruption geknechteten Lande Griechenland, in dem sich Regierungen bekanntlich jahrzehntelang nicht halten konnten, wurde von den (neoliberalen, damit „rechten“) EU-Politikern eine Serie von Reformen verordnet (Privatisierungen, Einsparungen in den öffentlichen Kassen, aber keine Reichensteuer z.B. für Reeder), die bestenfalls kosmetische Erleichterungen den Großbanken brachten und anderseits die wenig Privilegierten des Landes in Armut warfen.

Besonders gravierend war die Tatsache, dass diese „Unterschicht“ mit den ersten Missgriffen der Troika prozentual  rasant auf Kosten der Mittelschicht anwuchs, somit das staatliche Gesundheitssystem zwingend zum Überleben brauchte (kein Geld für Privathonorare) und dieses aufgrund der aufgezwungenen Sparmaßnahmen zusammengebrochen war.

Die Wahl ergab einen klaren Sieger, Alexis Tsipras, der aber auf einen Koalitionspartner angewiesen war.

Trotz des Vorhandenseins anderer numerisch möglicher Koalitionspartner, entschied sich Tsipras für die „Unabhängigen Griechen“ (ANEL), die nach bestehender Sprachregelung rechts geortet werden.

Warum ausgerechnet die?

Tsipras hat ein extrem wichtiges Anliegen: Durch Ablehnung der neoliberalen Diktate soll ein demokratischer Sozialismus die Bevölkerung wieder dahin bringen, wo sie stand, als die Heuschrecken der Troika kamen.

Bei diesem Ansinnen sind sich SYRIZA und ANEL einig.

Die Unterschiede in der Migrationspolitik spielen angesichts der dramatischen gesamtwirtschaftlichen Situation keine bedeutsame Rolle.

Im Prinzip: „Rechts“ und „Links“ einig gegen den Neoliberalismus

 

 

Rechts und links. Begriffe wandeln sich mit der Zeit. Teil 2. von 3

Mittwoch, 18. Februar 2015 um 04:59 Uhr Julius Franzot

  1. Fragen, die polarisieren.

Wohin man sich in Europa dreht, fallen einem ähnliche Probleme auf, bei denen sich zwei Fraktionen bilden, die immer weniger mit den offiziellen Konnotationen („rechts“ und „links“) der etablierten Parteien beschrieben werden können.

Nehmen wir das Grundproblem, den Neoliberalismus, der offenkundig gescheitert ist, dessen Scheitern aber von keiner der etablierten Parteien zugegeben wird.

Als Neoliberalismus in diesem Sinne verstehe ich die Einstellung, alles lasse sich mit einer Geldsumme beziffern, der „Markt“ bestimme über die Politik und das Soziale (stimmt heute selbst bei den Neoliberalen nicht mehr, weil Draghis Geldschwemme nichts mit dem Markt zu tun hat, sondern blanken Dirigismus der Oberklasse verkörpert), jeder sei weitgehend selbst dafür verantwortlich, dass er etwas mehr als „nur überleben“ könne.

Auf Deutschland bezogen, geht es um die Schere zwischen Arm und Reich, um dieprekären Arbeitsverhältnisse, den Missbrauch der Leiharbeit, die Hartz-IV-Sanktionen, den Mindestlohn, die Bürgerversicherung, den „Fachkräftemangel“.

Zu diesem Themenkomplex gibt es zwar kleinere Differenzen zwischen Union und SPD (und Grünen), es besteht aber eine Art Konsensus darüber – zumindest bis zur nächsten Wahl – dass kleine Änderungen vorgenommen werden können (die Union möchte am Liebsten keine davon haben, das Volk soll sich nicht aufregen, nicht soviel denken), aber die Grundzüge des Systems nicht angetastet werden können.

Damit fängt das Problem an, Union und SPD in ein „rechts-links“-System einzuordnen.

Im Grunde genommen sind sie beide „systemverträglich“ und „gemäßigt neoliberal“.

Extreme Neoliberale findet man in der AfD und in den Resten der FDP.

Das neoliberale System wird in toto von Linkspartei und „Braun-Aussen“ abgelehnt, obwohl beide sich – zu recht – dagegen wehren, etwas Gemeinsames zu haben.

Das zweite polarisierende Thema ist die NATO.

Auch hier sieht man grundsätzliche Übereinstimmung der Meinungen von Union und SPD, die so positiv zu diesem entarteten Verteidungungsüberbleibsel aus dem Kalten Krieg stehen, dass sie Kritiker mit sanften Denkverboten belegen.

Die AfD will die Zugehörigkeit Deutschlands zur NATO ebenfalls nicht diskutieren und lehnt daher Gesprächsangebote mit dem Front National ab.

Die Grünen wollten in ihrer Grundungszeit aus der NATO austreten, wurden aber in den langen Jahren der Koalitionen mit der SPD weich geklopft.

Für einen Austritt aus der NATO sprechen sich Linke und NPD aus. Seit Jahren werden diese Differenzen zwischen den „linken“ Parteien Die Linke und SPD als wichtigster programmatischer Hinderungsgrund für eine Regierungskoalition  bezeichnet.

Eigentlich ist dieses Thema viel komplexer als die einfache Zugehörigkeit Deutschlands zur NATO.

Es geht um die Frage, ob die von den USA, der jetzigen EU und der NATO verkörperten „westlichen Werte“ noch erstrebenswert sind, nachdem sie in ihrer Glaubwürdigkeit schwere Dämpfer z.B. im Irak, in der Ukraine und anderorts erhalten haben.

Es geht auch um den Weltherrschaftsanspruch der USA und deren Konzerne, die gerade dabei sind die EU zur Unterschrift von CETA und TTIP buchstäblich zu nötigen.

Wer davon profitieren würde, ist klar: Die großen Konzerne, deren Anwälte als Mitglieder von geheimen Schiedsgerichte Staaten zur Kasse bieten könnten, wenn sie eine „investorenunfreundliche“ Politik betreiben.

„Investorenfreundlich“ sind in erster Linie Fracking und AKWs, während z. B. Mindestlohn, Kündigungsschutz und strafrechtliche Verfolgung von Mobbing mit Sicherheit in die Kategorie „investorenfeindlich“ fallen.

Zu den polarisierenden Themen würde ich auch die Migration nennen.

Darunter sollte man fairerweise zwischen der Hilfe für Kriegsflüchtlinge und derEinwanderung zwecks Arbeitsaufnahme unterscheiden.

Diese Unterscheidung fällt vielen politischen Akteuren schwer, weil sie ein Minimum an differenziertem Denken voraussetzt. Und auch weil die Schuldfrage für viele Kriege, Marktverzerrungen (z.B. EU-Agrarsubventionen im Zusammenhang mit EU-Agrarexporte in Entwicklungsländer) und „Naturkatastrophen“ (Flurschäden, Abholzungen) noch nicht geklärt ist.

Wenn die Kriege z.B. in Syrien und Irak zur Sprache kommen, kommt man nicht umhin, die „westlichen Werte“ in die Diskussion einzubeziehen.

Daher läuft die ganze Diskussion zu den Flüchtlingen m.E. über die falschen Bahnen:Wenn nur über die Aufnahme und nicht auch über die Beseitigung der Fluchtgründen redet, dann ist es so, als wolle ein Arzt eine Lungenentzündung nur mit Aspirin und ohne Antibiotika behandeln.

Zum Thema „Kriegsflüchtlinge“ scheint es in Deutschland einen Konsensus zu geben, nicht zuletzt, weil die Aufnahme von politischen Flüchtlingen aus gutem Grunde im Grundgesetz vorgeschrieben ist.

Dass diese Definition etwas umfassender gesehen wird, ehrt Deutschland.

Dem ist es in anderen Ländern, insbesondere in Italien nicht so. In Süditalien, wo sich Lampedusa und andere Eintrittspforten befinden, leben ganze Branchen (über die Mafia: Schlepper, „Zwangsarbeit“, Bestechung, Subventionen an die Kooperativen) von den Massenankünften der Flüchtlinge, während der einfache Bürger den Ankömmlingen machtlos gegenüber steht und nur sieht, wie sich alles dramatisch verschlechtert.

Die Mehrheit der etablierten Parteien ist doch irgendwie von der Mafia abhängig und zehrt von den Überbleibseln eines Lieschen-Müller- Katholizismus, der die Menschenleben der Flüchtlinge als höher einstuft als die der Einheimischen.

In einem Land, in dem (nicht jeder) Arbeitslose Arbeitslosengeld für maximal acht Monate erhält und danach keine Form der Lebenshilfe bekommt, wirkt jede Zuwendung an Flüchtlinge wie ein Diebstahl an  Italiener.

Da Italien den Faschismus nie verarbeitet hat, liegt nah, dass aus diesen Problemen reichlich politisches Kapital geschlagen wird.

Nicht zu vergessen, dass aufgrund der Dubliner Verträge, bei der Unterbringung von Flüchtlingen Italien von der EU weitgehend alleine gelassen wird, was auch als ungerecht empfunden wird.

Das neoliberale System zielt auf Gewinnmaximierung.

Langjährige Mitarbeiter sind in der Regel nicht so preisgünstig zu bekommen wie Berufsanfänger, insbesondere wenn Letztere mit „Makeln“ behaftet sind, weil sie z.B. unzureichend Deutsch können.

So wie die prekären Arbeitsverhältnisse für kürzere Verweildauer im selben Unternehmen sorgen, liegt die Vermutung auch nahe, der „Fachkräftemangel“ sei ein Werkzeug, um kostengünstigeres Personal anzuheuern.

Für die Notwendigkeit einer Einwanderung zwecks Arbeitsaufnahme sprechen sich sowohl Union  als auch SPD aus.

Die AfD möchte ein Punktesystem, um das Angebot exakt an die Nachfrage anzupassen, während die Grünen eher für nach allen Seiten offene Arme sind.

Die Linke und der „braune“ Rand scheinen sich für die Einwanderung von Fachkräften nicht sonderlich zu interessieren.

Vermutlich streitet die Linke ab, dass es einen Fachkräftemangel gibt (ist wahrscheinlich auch nicht falsch, angesichts etwa 5 Mio. echter  Arbeitslose), während die „Braunen“ wie immer gegen „Überfremdung“ sind.

 

 

Rechts und links. Begriffe wandeln sich mit der Zeit. Teil 3. von 3

Dienstag, 24. Februar 2015 um 05:41 Uhr Julius Franzot

  1. Wenn nicht „rechts“ und „links“, was denn?

Nach den Beispielen, die ich bisher gebracht habe, kann ich wenige Fragen erkennen, die sich mit klaren „rechten“ oder „linken“ Aussagen beantworten ließen.

Diese waren ohnehin nur eine Selektion der möglichen Fragestellungen, die uns eine sich mit rasanter Geschwindigkeit ändernde Gesellschaft ans Herzen legt.

Diese, vor allem durch die neuen Technologien verursachte Umwandlung holt alles Althergebrachte mit exponentiell wachsender Geschwindigkeit ein.

Es wäre so blauäugig zu glauben, „rechte“ und  „linke“ Kategorien aus dem 19. Jahrhundert seien immer noch in der Lage, jede Antwort auf ein politisches, wirtschaftspolitisches oder soziales Problem entsprechend zu katalogisieren, wie man noch glauben könnte, ein Computer-Programm könne auf Latein geschrieben werden.

Nehmen wir „Das Kapital“ in die Hand.

Die meisten Berechnungen die Karl Marx anstellt, betreffen eine englische Textilmanufaktur in der frühen industriellen Ära.

Wenn man reine Produktionsvorgänge gerade noch dem Stand der Technik anpassen könnte, können Kategorien, die Marx unbekannt waren, wie Dienstleistungen, globale Märkte, IT-Technologie, Medienmarketing, Home Office beim besten Willen nicht als Aktualisierungen hinzugefügt werden.

Damit sind 70% der westeuropäischen Wirtschaft gemeint.

In der politischen Praxis sehen wir bereits, wie pragmatische Vorgehen von historischen Kategorien unabhängig zur Anwendung kommen und wieZweckbündnisse zwischen Parteien entstehen, die, nach herkömmlichen Muster, gegenteilige Visionen der Realität haben müssten.

Das Festhalten an Tabus, an Berührungsängsten, an Vorverurteilungen, ist in unserer Gesellschaft nur ein Bremsklotz.

Die Realität denkt nicht in Schablonen, sieht nur zu, dass ein bestimmtes Projekt entweder realisiert oder vereitelt werde.

Von wem und mit wem, ist Nebensache.

Warum gehen die Meinungen über Putin so weit auseinander, von der Verabscheuung bis hin zur Bewunderung? Weil er die Loslösung aus dem bisherigen Schema verkörpert.

  • Nationalismusist „rechts“. Putin ist schon ein Nationalist, der gegen andere Nationalisten zusammenprallt.
  • Imperialismusist „rechts“. Ein Imperialist ist Putin nicht, weil er nur die Russen zusammenhalten möchte, nicht fremde Völker und Länder erobern. Er missioniert auch seine innenpolitische Ordnung nicht.
  • Antiamerikanismusist „links“. Und den betreibt Putin fleißig
  • Die Freundschaft mit sozialistischen Ländernist den „Linken“ heilig. Putin pflegt sehr gute Beziehungen zum „sozialistischen“ China
  • Privatisierungist „rechts“. Putin privatisiert in Russland nach Lust und Laune, gibt den Freunden und nimmt den Feinden. Aber völlig anders als im Neoliberalismus, wo die Wirtschaft den Politikern gibt.
  • Religionist für Linke das Opium des Volkes und die traditionelle Familie ist eine bürgerliche Einrichtung. Putin unterstützt die Kirche und ihre Werte und favorisiert die traditionelle Familie  auf Kosten anderer Lebensgemeinschaften.
  • Welche Parteien hegen Sympathien für Putin? Die Linke, Syriza, Hamas, Front National und Lega Nord

Ich glaube, der letzte Satz zeigt, dass es heute wirklich um andere Kategorien als um „rechts“ und „links“ geht. Diese Ausarbeitung will ein Denkanstoß und kein geschlossenes System sein. Deswegen schlage ich drei „provisorische“ Bezeichnungen für neue Kategorien vor. Es gibt bestimmt viel bessere Namen und ich bin jedem dankbar, der einen guten alternativen Vorschlag macht. Das „System“, wovon die Rede hier ist, ist der transatlantische Neoliberalismus der „westlichen Werte“, die ggf. mit Bomben durchgesetzt werden sollen.

Systemverträglich (SV): NATO, Flexibilität, Leiharbeit, prekäre Arbeitsverhältnisse, Globalisierung nach wirtschaftlichen Kriterien (Profitmaximierung), Privatisierungen, EU als United States of Europa, Gralshüter des Euro, minimale soziale Sicherheiten, niedrige Spitzensteuersätze, Waffenexporte, Fracking, TTIP und TISA.

In Deutschland: CDU, CSU, Teile von SPD, Grünen und AfD

Systemkritisch (SK): Freie Militärbündnisse (eigentlich: so wenig Militär wie möglich), feste Arbeitsplätze, umfangreiches soziales Netz, Mindestlöhne, Frauen- und Familienpolitik, BGE (nicht bei allen), EU mit Aufrechterhaltung der nationalen Souveranität, Euro nicht um jeden Preis (Ausstieg soll möglich sein), Vergesellschaftung von Firmen und Dienstleistungen bei Bedarf möglich, Rekommunalisierungen, Bürgerversicherung, hohe Spitzensteuersätze, Frauenquoten, Vermögenssteuer, nein zu Fracking, TTIP und TISA.

In Deutschland: Die Linke, Teile von SPD, AfD und Grünen

Systeminkompatibel (SI): Freie Militärbündnisse (gerne auch viel Militär), Volksgemeinschaft, keine Überfremdung, EU ist überflüssig, Nationalwährungen statt Euro, Antisemitismus, Antiislamismus (nicht bei allen), Erschwernisse bei der Einwanderung, Zölle.

In Deutschland: NPD und DVU